Referenz22.08.2018

FOCUS-MONEY Heft 35/2018 Kapitalkraft europäischer Versicherungskonzerne

Die Versicherungsbranche befindet sich wegen des anhaltenden Niedrigzinsniveaus unter verschärfter Beobachtung. Wer trotzdem in Europa besonders kapitalkräftig ist

Taler, Taler, du musst wandern, von der einen Hand zur andern“ wird bei einem traditionellen Kinderspiel gesungen, während eine Münze möglichst unbemerkt weitergegeben wird. „Das ist schön, das ist schön, Taler lass dich ja nicht seh’n“, singen die Kinder weiter, bis ein Außenstehender nach Ende des Liedes versuchen muss zu erraten, wer schließlich das Geldstück in Händen hält. Jahrzehntelang schien dies auch das Motto der Versicherungsbranche zu sein, war sie doch von weitgehender Intransparenz geprägt. Der Kunde als Externer konnte allenfalls erahnen, was mit seinem Geld geschieht und ob denn sein gewählter Versicherer überhaupt selbst etwas auf der Naht hat. Denn auch wenn die damalige Versicherungsaufsicht und heutige allgemeine Finanzaufsicht BaFin natürlich stets ein Auge darauf hatte, drang von der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Anbieter so gut wie nichts nach draußen.

Doch das hat sich geändert. Spätestens seit 2016 mit Einführung der neuen europäischen Aufsichtsregeln Solvency II kann sich keiner mehr vor zunehmender Transparenz drücken. Jahr für Jahr werden nämlich die Solvenzquoten aller Versicherer veröffentlicht, die Auskunft über deren Kapitalpuffer zur Erfüllung von Kundenansprüchen geben. „Bei der Berechnung der Solvenzkapitalanforderung gilt die Grundprämisse: Die Unternehmen müssen mindestens über so viel Eigenmittel verfügen, dass sie auch einen Verlust überstehen können, der, statistisch gesehen, nur höchstens einmal in 200 Jahren eintritt“, schreibt die BaFin. Auch wenn diese Kennzahl allein noch keine verbindliche Aussage zulässt und mit weiteren Faktoren in eine Gesamtanalyse einzuordnen ist, vermittelt sie dennoch bereits einen ganz guten Eindruck, wie der einzelne Policenanbieter finanziell dasteht. Das aktuelle Ergebnis: Alle deutschen Versicherer können die Anforderungen erfüllen – wenn auch teils unter massiver Zuhilfenahme langjähriger Übergangsfristen. Andere europäische Länder außerhalb der EU wie etwa die Schweiz verfügen über ein ganz ähnliches Aufsichtssystem.

Gerade in Zeiten, in denen einige Versicherer unliebsame Policenbestände per Runoff an Dritte veräußern, sie intern abwickeln oder Produktlinien nicht weiterverfolgen, sollten Kunden die neue Transparenz nutzen. Denn beim Check, ob die gewählte Gesellschaft wirklich die richtige für eine langjährige Vertragsbindung ist und die Leistungsversprechen realistisch zu erreichen sind, ist insbesondere im anhaltenden Niedrigzinsumfeld eine gesunde finanzielle Ausstattung unerlässlich. Besonders gut, wenn diese, eingebunden in eine starke Gemeinschaft, nachgewiesen werden kann. Deshalb testet FOCUS-MONEY erneut die Kapitalkraft der 15 größten europäischen Versicherungsgruppen. Es werden deren Eigenmittelausstattung, Ausfallrisiko und Verschuldungsgrad genau analysiert und bewertet. Denn nur wer genug klingende Münzen in seinem eigenen Beutel hat, kann voraussichtlich auch ausreichend Taler in die Hände seiner Kunden wandern lassen – ganz offen und unter fortlaufender Beobachtung.
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DFSI Deutsches Finanz-Service Institut GmbH ist ein unabhängiger Datendienst, der marktrelevante Informationen zu Versicherern, Banken, sonstigen Finanzdienstleistern und Gesetzlichen Krankenkassen sammelt und bewertet. Dabei werden zu Finanzprodukten die Informationen, die für Privatkunden entscheidungsrelevant sind, gebündelt und als Produktratings dargestellt. Hier fließen insbesondere Daten aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), Leistungs- und Servicedaten des Versicherers sowie Preis- und Prämiendaten ein. Das DFSI erstellt zudem seit 2008 branchenweite Leistungstests zu Finanzprodukten. Bei der Entwicklung der Test- und Ratingmethodik wird das DFSI durch Experten des institutseigenen Fachbeirats unterstützt. Diese verfügen über jahrelange Erfahrungen im deutschen Ratingmarkt und der Finanzdienstleistungsbranche.