Referenz10.07.2019

FOCUS-MONEY Heft 29/2019 GKV - Finanzkraft

Ist der Haushalt einer Krankenkasse gesund – oder kränkelt er eher? Das zeigt sich an der Finanzkraft. Welche Kassen wirtschaftlich gut dastehen, zeigt der FOCUS-MONEY-Test

Die Zeit der Überschüsse in der GKV geht vorbei.“ So kommentiert nüchtern Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), neueste Zahlen zum Haushalt: Konnten Techniker, Barmer, DAK, KKH, hkk und HEK im ersten Quartal 2018 noch auf einen gemeinsamen Überschuss von 122 Millionen Euro blicken, lastet 2019 im ersten Quartal auf den sechs Ersatzkassen ein dickes Defizit von 151 Millionen Euro. Gründe dafür sind gesunkene Zusatzbeiträge bei der Techniker und hkk zum Jahresanfang. Auch verweist der vdek im ersten Quartal 2019 auf stark gestiegene Ausgaben bei den medizinischen Leistungen von 4,8 Prozent je Versicherten. Wobei die Einnahmen im gleichen Zeitraum lediglich um 3,6 Prozent zulegten. Etliche Unwägbarkeiten. Das finanzielle Loch könnte noch größer werden. Zumal kostenintensive Gesetze wie das Pflegepersonalstärkungsgesetz und das neue Terminserviceund Versorgungsgesetz (TSVG), so Expertin Elsner, erst im Laufe des Jahres 2019 ihre volle Kostenwirkung entfalteten. Nicht nur den Ersatzkassen verhagelte es kräftig die Bilanz. Auch die Innungskrankenkassen (IKK) mussten im ersten Quartal 2019 ein Minus von rund 16 Millionen Euro schlucken. In den ersten drei Monaten des Jahres 2018 fuhren die IKKs noch einen Überschuss von 18 Millionen Euro ein. Alles andere als rosig ist auch die finanzielle Situation der Betriebskrankenkassen. Nach einem Vorjahresplus von 29 Millionen Euro wiesen diese im ersten Quartal 2019 einen herben Verlust von 59 Millionen Euro aus. Damit addieren sich die Defizite von Innungs-, Betriebsund Ersatzkassen auf rund 226 Millionen Euro. Und was ist mit den Allgemeinen Ortskrankenkassen? Die AOKs konnten sich zwar gegen den allgemeinen Trend stemmen – sie weisen noch einen Überschuss von 89 Millionen Euro aus. Doch das ist weniger als die Hälfte der 197 Millionen Euro aus dem Vorjahresquartal. Die Finanzreserven der GKV – 21 Milliarden bei den Kassen und 7,1 Milliarden Euro im Gesundheitsfonds – sind damit im Vergleich zum Vorjahresstand um 0,9 Milliarden Euro geschmolzen. „Daher macht es durchaus Sinn, vor einem etwaigen Wechsel neben Liquidität und Nettovermögen auch die Verwaltungskosten sowie die Entwicklung zahlender Mitglieder seiner neuen Wunsch-Kasse zu beäugen“, erklärt Thomas Lemke, Geschäftsführer des Deutschen Finanz-Service-Instituts (DFSI) in Köln.

Wie es um den Haushalt einer Kasse bestellt ist – das attestiert der aktuelle Finanzstärke-Test des DFSI. 13-mal zeichnete das Institut eine Krankenkasse mit der Bestnote „Hervorragend“ aus. Mit „Sehr Gut“ schnitten fünf Kassen ab. Auch wenn das erste Quartal bei AOK & Co. in finanzieller Hinsicht nicht gerade rundlief: Behält letztlich der Schätzerkreis – zu diesem gehören Experten des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesversicherungsamts und des GKV-Spitzenverbands – Recht, spricht alles dafür, dass die GKV im Gesamtjahr 2019 doch wieder schwarze Zahlen schreiben wird. Wovon auch Beitragszahler innerhalb der GKV etwas hätten, denn: Kassen mit besonders hohen Finanzreserven müssen ihre Rücklagen im Zuge des Versichertenentlastungsgesetzes ab 2020 innerhalb von drei Jahren unter die gesetzliche Obergrenze von einer Monatsausgabe drücken. Was mit der Absenkung des individuellen Zusatzbeitrags oder besseren Leistungen möglich wäre. Gut zu wissen: Zum Jahreswechsel 2018/19 verfügten 69 von 110 Krankenkassen über Betriebsmittel und Rücklagen oberhalb der Grenze von einer Monatsausgabe; 42 davon hatten sogar Reserven oberhalb von eineinhalb Monatsausgaben in petto.
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